Das Lutherische Bekenntnis und die Heilige Schrift sind die verbindliche Basis für die Selbständige Evangelisch-Lutherische Kirche. Da die Bekenntnisschriften keine Aussage zum Geschlecht von Pfarrpersonen treffen, müssen wir als Kirche uns über unser Verständnis der Bibel zu dieser Frage verständigen. Seit vielen Jahren sind die weitaus meisten der wissenschaftlich arbeitenden lutherischen Theolog*innen (sowohl innerhalb als auch außerhalb der SELK) der Auffassung, dass die Heilige Schrift die Ordination von Frauen keineswegs verbietet. Diese Feststellung verkennt keineswegs die Tatsache, dass in der SELK auch die gegenteilige theologische Meinung vertreten wird und dass die Grundordnung unserer Kirche die Frauenordination (noch) ausschließt. Im Folgenden stellen wir eine kleine Auswahl von theologischen Vorträgen und Artikeln, die Teil dieser biblischen Argumentation für die Frauenordination sind, zur Verfügung, vorgestellt von Michael Sommer.

Hans Peter Mahlke behandelt in seinem 1992 in „Lutherische Theologie und Kirche“ erschienenen Artikel „Die Frau in der Öffentlichkeit“ die theologischen und historischen Entwicklungen hinsichtlich der Rolle und der Rechte von Frauen in der Kirche, insbesondere in Bezug auf die Frauenordination. Er zeigt auf, dass biblische Anweisungen und deren Auslegung im Laufe der Zeit variieren und dass viele frühere Auffassungen über die Unterordnung der Frau mittlerweile hinterfragt werden. Mahlke argumentiert, dass es keine eindeutige biblische Grundlage gegen die Ordination von Frauen gibt und dass sich die Einstellungen in der Kirche im Laufe der Zeit verändert haben sollten, um aktuellen gesellschaftlichen Gegebenheiten Rechnung zu tragen.
Bereits 1990 gab die Kirchenleitung der SELK ein Gutachten bei der Fakultät der Lutherischen Theologischen Hochschule in Oberursel in Auftrag, das eine theologische Begründung des Ausschlusses der Frauen vom Amt der Kirche erbringen sollte. Erst 1995 wurde das Gutachten fertiggestellt, entgegen einer früheren Ankündigung entschied die Kirchenleitung jedoch, das Gutachten nicht zu veröffentlichen. Dies vermutlich, weil das Gutachten die gewünschte Begründung nicht erbracht hatte. Das Gutachten wird seither von der Kirchenleitung unter Verschluss gehalten. Die Fakultät der LThH hatte jedoch bereits 1994 im „Oberurseler Heft“ Nr. 28 wesentliche Inhalte ihrer Forschungsarbeit zum Thema Frauenordination veröffentlicht. Die Professoren Manfred Roensch, Werner Klän, Hartmut Günther, Wilhelm Rothfuchs und Volker Stolle behandeln differenzierte historische, ökumenische, systematisch-theologische, pastoraltheologische sowie neutestamentliche Aspekte des Themas Frauenordination und formulieren abschließend hilfreiche Thesen.


Der Artikel „Beobachtungen zum Verhältnis von Frau und Mann in Gen 1 – 3“ von Adelheid Mahlke, 1997 in der Zeitschrift „Lutherische Theologie und Kirche“ veröffentlicht, untersucht das Verhältnis von Frau und Mann in den ersten Kapiteln der Bibel, insbesondere in Genesis 1-3, und hinterfragt die gängige Interpretation von Über- und Unterordnung zwischen den Geschlechtern. Mahlke argumentiert, dass die hebräischen Texte eine Gleichstellung von Mann und Frau betonen und die Vorstellung eines hierarchischen Verhältnisses nicht im ursprünglichen Sinn der Schöpfungsordnung verankert ist. Zudem wird kritisiert, dass Übersetzungen, insbesondere die von Luther, oft eine Interpretation transportieren, die die ursprüngliche Bedeutung der Texte einschränkt und Rollenverständnisse perpetuiert.
Hans Peter Mahlke stellt in seinem Artikel „Die Frau im Verhältnis zu ihrem Ehemann“ (erschienen in „Lutherische Theologie und Kirche“, Mai 2001) die Rolle der Frau im Verhältnis zu ihrem Ehemann innerhalb der lutherischen Theologie und Kirche dar, wobei er historische und aktuelle kirchliche Stellungnahmen analysiert. Er zeigt auf, dass die Bibel oft als Grundlage für die Unterordnung der Frau unter den Mann verwendet wurde, und beleuchtet die patriarchalen Strukturen, die diese Sichtweise stützen. Darüber hinaus wird die Entwicklung hin zu einer partnerschaftlicheren Auffassung der Ehe in den letzten Jahrzehnten thematisiert, die sich von den traditionellen Interpretationen entfernt hat.


In einem 2005 veröffentlichten Artikel „Evangelium und Gesetz – Die Frauenordination im Licht der Bibel“ beleuchtet der rumänische evangelisch-lutherische Theologe Hans Klein die Entwicklung der Frauenordination in der evangelischen Kirche und die unterschiedlichen theologischen Auffassungen dazu im Licht biblischer Aussagen. Es wird aufgezeigt, dass es in der Bibel keine einheitliche Sicht über das Reden der Frau in der Gemeinde gibt und dass die relevanten Texte unterschiedlich interpretiert werden können. Der Autor argumentiert, dass die Aussagen des Neuen Testaments keine grundsätzliche Ablehnung der Frauenordination rechtfertigen und dass die Kirche in der heutigen Zeit neue Entscheidungen in dieser Frage treffen kann. Abschließend wird betont, dass es keinen theologischen Grund gibt, Frauen den Zugang zu geistlichem Dienst in der Gemeinde zu verwehren, da sich die gesellschaftlichen Bedingungen seit der biblischen Zeit geändert haben.
Hans Peter Mahlke hielt 2017 in der Bremer Bethlehems-Gemeinde den Vortrag „Frauenordination – von der Ausgrenzung zum Aushalten der Gegensätze“. Mahlke behandelt die Kontroversen und unterschiedlichen Positionen zur Frauenordination, die seit der Gründung der SELK im Jahr 1972 bestehen. Er argumentiert, dass es keine eindeutigen biblischen Aussagen für oder gegen die FO gibt und dass die Diskussion von persönlichen Einstellungen zum Verhältnis von Frauen und Männern geprägt ist. Deshalb plädiert Mahlke dafür, die bestehenden Gegensätze zu akzeptieren und den Artikel 7.2 der Grundordnung zu streichen, um Gemeinden die Freiheit zu geben, selbst über die Ordination von Frauen zu entscheiden.


Ebenfalls 2017 veröffentlichte Prof. em. Dr. Wilfried Härle (zuletzt Universität Heidelberg) unter dem Titel „Von Christus beauftragt“ sein „Biblisches Plädoyer für Ordination und Priesterweihe von Frauen“ (Evangelische Verlagsanstalt Leipzig, 2017). Er überprüft entscheidende Passagen des Alten und Neuen Testaments auf ihre Aussagen zur Ordinationsfrage und argumentiert nachdrücklich dafür, dass auch Frauen das Amt der Kirche ausüben dürfen. Hier ein Ausschnitt aus seinem Buch. Michael Sommer präsentiert mit seinem PLAYMOBIL-Ensemble eine Zusammenfassung des Werkes:
Prof. Dr. Athina Lexutt (Universität Gießen) hielt 2018 in der Frankfurter Trinitatis-Gemeinde einen Vortrag mit dem Titel „Mit Chanel und Charisma“. Sie behandelt darin die Frage der Frauenordination im Kontext der reformatorischen Theologie, insbesondere unter Berücksichtigung von Martin Luthers Ansichten zur Gleichheit aller Getauften und der Bedeutung von Bildung und Berufung in geistlichen Ämtern. Lexutt argumentiert, dass es keinen biblischen Grund gibt, Frauen vom Predigtamt auszuschließen, und dass die Reformation bereits Grundlagen für eine Gleichstellung gelegt hat, die jedoch historisch nicht konsequent umgesetzt wurden. Abschließend wird betont, dass die Suche nach Wahrheit jenseits von Tradition und Innovation erfolgen sollte, um die Frage der Frauenordination angemessen zu betrachten.


