Die SELK ist als Freikirche unabhängig vom Staat und seinem Kirchensteuersystem. Finanziert wird sie ausschließlich über die Beiträge der Kirchglieder, die nichts anderes als freiwillige Spenden sind. Deshalb stellen die Rendant*innen der Gemeinden am Ende des Jahres auch Spendenbescheinigungen an jedes Kirchglied über die gezahlten Beiträge aus. Die Gemeinden melden den Kirchenbezirken im Vorhinein eine Schätzung über die Umlagebeiträge, die sie an den Kirchenbezirk abführen können. Die Kirchenbezirke wiederum haben eigene Rendant*innen, die die Beiträge der Gemeinden an die Allgemeine Kirchenkasse (AKK) in Hannover abführen.
Die Finanzen der SELK
Der Haushalt der SELK beträgt* 2025 10,9 Millionen Euro. 93% der Mittel werden für Personalkosten, also v.a. die Gehälter und Ruhegelder der Pastoralreferentinnen und Pfarrer aufgewendet, 4% sind Sachkosten und 3% gehen als Zuschüsse an LThH, Mission, Jugendwerk usw. Schon seit Jahren besteht ein Haushaltsdefizit, d.h. die Ausgaben der Kirche übersteigen die Einnahmen. Aktuell beträgt dieses Defizit 13% des Haushalts, d.h. 1,4 Millionen Euro im Jahr. Derzeit wird dieses Defizit Jahr für Jahr aus Rücklagen aufgefangen, diese werden jedoch bald aufgebraucht sein. Schon jetzt lebt die SELK also von ihrem Kapital, ihrer Substanz. Gleichzeitig kürzen Gemeindeglieder ihre Beiträge, setzen sie aus oder verlassen die Kirche gleich ganz.
*Laut einer offiziellen Information (Flyer) der SELK-Aktion 1000×1000 vom Mai 2025.
Finanzielle Angstvision Kirchenspaltung
Wenn es in der Diskussion um die Ordination von Frauen um organisatorische Lösungen geht, steht immer wieder auch die Trennung von Gemeinden von der bisherigen SELK oder ihre Teilung in zwei Kirchenkörper im Raum. Diese Szenarien werden dabei mit der Gefährdung von Gehältern und Ruhegeldern von Pfarrern und Pastoralreferentinnen in Verbindung gebracht. Ist diese Gefahr real? Es gibt bisher keine Regelungen für den Fall, dass ganze Gemeinden die Kirche verlassen. Wenn keine Veränderungen im Hinblick auf die Frauenordination eintreten, müssen solche Regelungen jedoch unbedingt getroffen werden, da viele Gemeinden nicht mehr bereit sind, den aktuellen Ausschluss der Frauen vom Pfarramt mitzutragen. Solche Regelungen für das Ausscheiden ganzer Gemeinden müssten die anteiligen Kosten der Gemeinde für Ruhegelder in einer fairen Form berücksichtigen. Dasselbe gilt für den Fall der Teilung der Kirche in zwei Nachfolgerkirchen: Die Verpflichtungen der Gemeinden, anteilig die Alterssicherung ihrer Hauptamtlichen mitzutragen, muss gewährleistet werden. Die gute Nachricht ist: Bei einem solchen Trennungsprozess KANN die Altersversorgung sichergestellt werden. So schmerzlich die Vorstellung von der Kirchenteilung ist: Sie wäre in finanzieller Hinsicht das kleinere Übel.
Das reale Problem
Das viel größere Problem für die finanzielle Zukunft der SELK ist der kontinuierliche Austritt von Kirchgliedern, der im Falle unserer Kirche maßgeblich durch die bisherige Verhinderung der Ordination von Frauen verursacht wird. Die Beschlüsse des 15. Allgemeinen Pfarrkonvents im Juni 2025, die erneut eine Weiterentwicklung der SELK hin zu einer Kompromisslösung in der Frage der Frauenordination zu verhindern versuchen, waren erneut ein Anlass für viele Kirchglieder, ihre weitere Unterstützung für die SELK in Frage zu stellen. Die Reaktion ist nachvollziehbar: Die Kirchenleitung unter Bischof Voigt und der Pfarrkonvent haben sich ausdrücklich dagegen entschieden, die Stimmen der Gemeinden bei ihren Beratungen und Entscheidungen in der Frage der Frauenordination zu berücksichtigen. Das Thema jedoch ist für viele Kirchglieder ein wichtiges Anliegen. Die Kirche braucht das praktische Engagement ebenso wie die finanzielle Unterstützung aller Kirchglieder, wenn sie deren Anliegen jedoch ausdrücklich ignoriert – wie sollen Kirchglieder dazu motiviert werden, sich einzubringen?
Wege für die Zukunft
Aus Sicht der Befürworter*innen der Frauenordination steht eines fest: So wie bisher geht es nicht weiter. Der Status Quo bedeutet, dass eine Minderheit von Kirchgliedern der SELK eine Veränderung in Sachen Frauenordination verhindert und so die Zukunft der Kirche – geistlich, aber auch finanziell – gefährdet. Entweder wird es einen Kompromiss geben, durch den zum Beispiel Gemeinden entscheiden können, Frauen zu Pfarrerinnen zu berufen, oder die bisherige SELK trennt sich in zwei Kirchenkörper.
Welche Rolle spielt der individuelle Beitrag?
Unmittelbar nach dem APK herrschten starke Gefühle von Enttäuschung bei vielen Kirchgliedern vor und viele dachten daran, die Kirche zu verlassen oder die finanzielle Unterstützung ganz oder teilweise einzustellen. Wir haben viele intensive Gespräche zu diesen Themen geführt und wollen uns klar zu dieser Frage positionieren, deshalb der folgende Appell:
Liebe Geschwister, auch wenn ihr von den Beschlüssen des APK zurecht enttäuscht seid, tretet bitte nicht aus der SELK aus! Die Kirche braucht uns alle und wir brauchen die Kirche, in dieser Krise mehr denn je. Ebenso wollen wir klarstellen: Aus Protest oder Enttäuschung den Kirchbeitrag zu kürzen oder einzustellen, ist verständlich, aber allein nicht zielführend. Vor allem ändert es nichts an den Verhältnissen, wenn ihr euch still zurückzieht, Zahlungen einstellt oder geht. Wenn ihr einen Unterschied machen und Veränderungen bewirken wollt, ist es sinnvoll, dies den Entscheidungsträger*innen der SELK (Synode, Kirchenleitung und APK) auch mitzuteilen.
Kreativer Umgang mit Kirchbeiträgen
Die folgenden Wege zum Umgang mit dem eigenen Kirchbeitrag wurden in den letzten Wochen von SELKis beschritten. Wir geben Sie hier als Teil der Dokumentation der Konsequenzen der Entscheidungen von APK und Kirchenleitung wieder.
A) Zweckgebundene Spende an die eigene Gemeinde statt „normaler“ Kirchbeitrag. Wie eingangs erwähnt ist der Kirchbeitrag in der SELK eine freiwillige Spende. Dabei wird in der Regel kein bestimmter Spendenzweck vom einzelnen Kirchglied angegeben. Nun sind SELKis aus Protest gegen die Beschlüsse des APK dazu übergegangen, den Spendenzweck ihres monatlichen Beitrags zu definieren. So geben sie z.B. an, dass ihre Spenden ausschließlich für Ausgaben der eigenen Gemeinde verwendet und nicht an den Kirchenbezirk bzw. die Allgemeine Kirchenkasse weitergegeben werden dürfen. In der Gemeinde Balhorn gibt es eine von der Gemeindeversammlung eingesetzte „Arbeitsgruppe Reformen“, auch für deren Arbeit wurden bereits zweckgebundene Spenden vereinnahmt.
Zur Information:
SELK Balhorn
IBAN DE08 5205 0353 0170 0029 67
BIC HELADEF1KAS, Kasseler Sparkasse
Verwendungszweck „AG Reformen“
B) Spenden an kirchliche Werke oder die Initiative Frauenordination. Das Jugendwerk der SELK, ebenso aber Diakonie und Mission erhalten zur Zeit direkte, zweckgebundene Spenden. Die Initiative Frauenordination, die sich seit 2001 für die Gleichstellung der Geschlechter in allen Bereichen der Kirche einsetzt, erhält ebenfalls mehr Spenden seit dem APK.
Zur Information:
SELK Melsungen
IBAN DE29 5205 2154 0010 0433 05
BIC HELADEF1MEG, KSK Schwalm Eder
Verwendungszweck „InFO/ILF“
Wie viele Kirchglieder haben ihre Beiträge bereits aus Protest gekürzt?
Bis zum 23.08.2025 haben sich 104 SELKis an unserer Umfrage zum Thema „Mein Beitrag“ beteiligt. Die Teilnehmenden engagieren sich mit vielfältigen Diensten in ihren Gemeinden. 90% von ihnen geben an, dass es ihnen sehr wichtig ist, dass die Frauenordination in den nächsten Jahren oder so schnell wie möglich in der SELK eingeführt wird. Am stärksten besorgt zeigen sie sich über die Themen Pastorennachwuchs und die Entwicklung der SELK in eine gesetzlich-biblizistische oder fundamentalistische Richtung. 36% der Beteiligten geben an, dass sie die Kirche spätestens in zwei Jahren verlassen werden, wenn keine Veränderungen abzusehen sind; eine knappe Mehrheit von 52% gibt an, die SELK nicht verlassen und sich weiterhin für Veränderungen einsetzen zu wollen. Hinsichtlich finanzieller Konsequenzen gaben sie folgendes an: 13% haben ihre Beiträge bereits gekürzt, umgewandelt oder ausgesetzt, weitere 50% geben an, dies zu tun, wenn die Kirchensynode im September keine Veränderungen in Sachen Frauenordination beschließt. Die in der Umfrage angegebene Summe so entstehender jährlicher Verluste für die SELK beträgt 77.326 Euro, dabei haben viele der Teilnehmenden, die kürzen werden, noch nicht einmal die Höhe ihres Kirchbeitrags genannt.
Bitte beachten: Unsere laufende Umfrage ist keine empirische Erhebung, sondern vermittelt einen Einblick in die Realität unserer Kirche. Wir hoffen, dass sich in den nächsten Wochen noch viele weitere Kirchglieder an ihr beteiligen werden, um ein noch konkreteres und genaueres Bild davon zu erhalten, welchen finanziellen Schaden (neben dem geistlichen Schaden) die Blockadehaltung unserer kirchenleitenden Gremien gegenüber der Ordination von Frauen anrichtet. Schon jetzt steht fest: Die Verweigerung von Veränderung kostet unsere Kirche viele Seelen und viel Geld. Keins von beiden können wir uns leisten.
Gefährden Beitragskürzungen die Gehälter und Ruhegelder von Pfarrern und Pastoralreferentinnen?
Kurzfristig nicht, aber mittel- und langfristig durchaus. Und genau auf diese Gefahr, nämlich durch die Verweigerung der Frauenordination immer mehr Einnahmen zu haben, weisen die mit dem Kirchbeitrag verbundenen Protestaktionen hin. Wieso kurzfristig nicht? Die SELK ist eine Körperschaft des Öffentlichen Rechts und als solche gesetzlich verpflichtet, Gehälter und Ruhegelder zu zahlen. Nur in sehr geringem Umfang (wenige Prozent) hat sie die Möglichkeit, kurzfristig Gehälter und Ruhegelder zu kürzen, und auch dies würde keine Einsparwirkung haben, da die so gekürzten Bezüge den Ruhegeldansprüchen hinzugefügt werden müssen. Um bei geringeren Einnahmen weiterhin die Bezüge zahlen zu können, wäre die AKK gezwungen, die (noch) vorhandenen Rücklagen aufzubrauchen, ggf. am kleinen Posten der Sachkosten zu sparen, Kredite aufzunehmen oder Eigentum zu veräußern.
Fazit: Soll ich meinen Beitrag einfrieren/umstellen/einstellen?
Es ist für uns als SELKis eine Selbstverständlichkeit, unsere Kirche und insbesondere unsere Pastoralreferentinnen, Pfarrer und vielen anderen Haupt- und Nebenamtlichen nicht nur tatkräftig, sondern auch finanziell zu unterstützen. Denn wir sind so vielen von ihnen von Herzen dankbar für Ihre aufopferungsvolle Arbeit. Wenn wir also die Entscheidung treffen, Kirchbeiträge als Reaktion auf die Entscheidungen der Kirchenleitung unter Bischof Voigt und des APK zu kürzen oder zu verändern, dann ist das ein Schritt, der aus Verzweiflung erfolgt, weil wir den Eindruck haben, dass wir anders nicht wahrgenommen werden.
Wir als Netzwerk „Aufbruch SELK“ fordern euch NICHT aktiv dazu auf, diesen Schritt zu tun. Wenn ihr es aber tut, dann lasst uns bitte davon wissen, damit wir eure Reaktionen dokumentieren können, die von den Gegnern der Frauenordination nur zu gern verdrängt werden. Bitte beteiligt euch dazu (wenn ihr es noch nicht getan habt) an unserer Umfrage Die Umfrage selbst findet ihr unter diesem Link. Gern könnt ihr uns auch direkt unter info@frauenordination.de anschreiben.
Netzwerk „Aufbruch SELK“
im August 2025